Die (andere) Wahrheit über den Weihnachtsstern

Nein, ich werde keine Geschichte über die aus Afrika importierte, tropische Pflanze erzählen. Obwohl auch diese "Weihnachtsstern" heisst und etwa gleich viel zu tun hat mit unserem Weihnachtsfest, wie der Stern zu Jerusalem.
Vielmehr möchte ich die Adventszeit dazu nutzen, um einen astronomischen Blick auf den Weihnachtsstern zu werfen. Beginnen wir mit der Quelle. In der Bibel steht folgendes geschrieben:
 
„Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. … Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen.“
 
Sterne, die sich bewegen? Klar, das sind die Schweifsterne - auch Kometen genannt! Und so lernt jedes Kind, dass man die Krippe immer mit einem Kometen drüber zeichnen muss. Ja, ein paar Kinder sind oftmals sogar so akribische Beobachter, dass sie auf den Zeichnungen auch nicht die Aufhängungen und Seile des Kometens vergessen zu zeichnen. Genau so, wie er schliesslich auch über dem Stall im Krippenspiel der Schule hängt.
 
Wenn wir bloss nicht diese kindliche Tugend des pragmatischen Beobachtens vergessen hätten. Doch leider ist genau dies passiert. Dies vorweg: Zur Zeit von Jesu Geburt (um den Dreh vor ca. 2017 Jahren) gabs keinen Kometen am Firmament. Denn als wir damals in Europa noch Beeren sammelten, Hirsche jagten und im fernen Jerusalem die Schafe auf der Weide grasten, da waren die Gelehrten aus dem fernen Osten und in Asien bereits fleissig daran, den Sternenhimmel zu studieren und dokumentieren.
Doch was haben die drei Könige - oder deren wissenschaftlichen Berater - dann gesehen? Es könnte eine Nova oder eine Super Nova gewesen sein. Doch diese Sterne bewegen sich nicht. Sie leuchten hell auf und verblassen wieder. Als Wegweiser dienen diese kosmischen Explosionen kaum. Ein Nachweis für ein solches Ereignis damals ist nicht vorhanden. Auch ein Meteor (ein Felsbrocken der in der Atmosphäre verglüht und z.T. auf der Erde einschlägt) können wir ausschliessen: Denn der Flug dauert bloss ein paar Sekunden. Auch wenn ich die physische Verfassung der drei Könige nicht kleinreden will, aber so schnelle Läufer waren sie kaum.
 
Was wäre nun, wenn Matthäus, dem wir die Überlieferung der Weihnachtsgeschichte zu verdanken haben, sich nicht allzu detailliert mit der Astronomie befasst hätte? Wenn mal schnell aus einem Planeten ein Stern wird? Jetzt mal ehrlich - noch heute kennen die meisten den Unterschied zwischen Stern und Planet nicht. Oder sie wussten es mal und haben es wieder vergessen. Lassen wir also die Kirche im Dorf und alles was am Himmel leuchtet muss ein Stern sein.
Was der Geschichte dient, muss somit nicht die (astronomische) Wahrheit sein.
 
Wenn also aus dem griechischen "astron" (Gestirn), "aster" (Stern) wird, könnte dies einiges erklären. Der Weihnachtsstern könnte ein Planet gewesen sein. Zur damaligen Zeit gab es eine Konjunktion von den Planeten Jupiter und Saturn. Eine Konjunktion ist nichts anderes als ein scheinbares Treffen von Himmelskörper. Von der Erde aus gesehen, stehen dann die beiden Planeten nahe beieinander. Auch wenn die realen Positionen innerhalb des Sonnensystems natürlich Millionen von Kilometern entfernt sind.
Im damaligen Zeitalter war es ziemlich chique, die Politik von den Sternen abhängig zu machen. Wie heutzutage von Aktienkurse - obwohl wir beides nicht im Griff haben. So wurde jeder Komet, jede Nova oder Sonnenfinsternis als ein Zeichen der Götter gedeutet. Je nachdem, ob man positive oder negative Zeichen brauchte, wurde es interpretiert und dem Volk verkündet.
 
Folgend die Interpretation der Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7 v.Chr.:
Königstern (Jupiter) + Israelschützer (Saturn) = „Im Westen (Sternbild der Fische) ist ein mächtiger König geboren worden"
 
Oder was, wenn die drei Könige lieber zu Hause an der Wärme blieben?
Es ist durchaus vorstellbar, dass der Weihnachtsstern lediglich als Legitimation nachträglich in die Überlieferung eingefügt worden ist. Im Judentum war und ist das Anbeten / Verehren von Gestirnen als Gottheiten verboten. Dies festigt die Monopolstellung des einzigen Gottes natürlich ungemein. Damit man dann noch die Zögerlichen - und evt. heimlichen Sternenanbeter - überzeugen kann, fügt man einen göttlichen Stern ein und schwupps schwindet die Opposition. Eigentlich sehr demokratisch, da es für alle etwas dabei hat.
 
Auch wenn bis heute nicht restlos geklärt ist, was der Weihnachtsstern genau war, so spiegelt er gut die Stärke des Glaubens wieder. Jeder sieht in ihm, was er will und ist glücklich dabei. Lassen wir also die Kinder weiterhin ruhig den Kometen über der der Krippe zeichnen. Eine Planeten-Konjunktion macht sich eh nicht so gut in der Weihnachtsgeschichte.
 
Frohe Festtage!
 
Bernhard Roth
Sternwarte Flumenthal